Brand Wohnhaus in Neuenried bei Ronsberg – zwei Personen vermisst

Ein Kampf gegen die Zeit - Einsatzbegleitung durch das PSNV Team Kaufbeuren-Ostallgäu

Allgemeine Lage

Am Vormittag des 05. März 2022 herrschte im Landkreis Ostallgäu Sonnenschein bei etwa 2°Celsius. Es war nahezu windstill. Die Straßen waren trocken und die Sicht war so klar, dass man viele Kilometer weit sehen konnte. Neuenried ist ein Ortsteil des Marktes Ronsberg und liegt ca. 5km nordöstlich des Hauptortes an der Grenze zum Landkreis Unterallgäu. Die Löschwasserversorgung wird für den kompletten Ortsteil Neuenried über eine 50m3 fassende Löschwasserreserve sichergestellt. 

Alarmierung

Am Samstag, den 05.03.2022 bemerkten aufmerksame Nachbarn, dass aus einem Dachstuhl einer ehemaligen Sennerei, welche mittlerweile als Wohnhaus genutzt wird, Rauch aufstieg. Umgehend wurde der Notruf gewählt. Noch während des Notrufgespräches erhärtete sich der Verdacht, dass sich noch Personen im Gebäude befinden. Um 09:20 Uhr alarmierte die ILS-Allgäu die örtliche zuständige Feuerwehr Ronsberg mit einem LF 8/6 inklusive der Außengruppe Neuenried mit einem Tragkraftspritzenanhänger, die Werkfeuerwehr Huhtamaki mit einem HLF30, die Feuerwehr Willofs mit einem TSF-W, die Feuerwehr Oberegg (Landkreis Unterallgäu) mit einem TLF 16 und die Feuerwehr Obergünzburg mit einem LF 16/12 und der Drehleiter sowie die zuständigen Vertreter der Kreisbrandinspektion Ostallgäu mit dem Schlagwort „Brand Dachstuhl – Person in Gefahr“. Rettungsdienstlich wurde der Einsatz mit der Rettungsdienststufe RD4 beschickt, was die Alarmierung von drei Rettungswagen, zwei Notärzten und einem Einsatzleiter Rettungsdienst nach sich zieht. 

Erste Lage 

Da der Ortsteil Neuenried 5km oberhalb des Kernortes Ronsberg liegt und einige Höhenmeter überwunden werden müssen, gestaltete sich die Anfahrt mit LKWs aus allen Richtungen zeitintensiv. Kurz vor dem TSA der Feuerwehr Neuenried traf Kreisbrandmeister Stefan Rauscher um 09:28 Uhr mit einem Kommandowagen als Erster an der Einsatzstelle ein. Die erste Lage vor Ort stellte sich wie folgt dar: bei einem Wohnhaus im Ortskern von Neuenried stand ein Dachstuhl in Vollbrand, auf der Rückseite schlagen Flammen bereits aus dem ersten Obergeschoss. Augenzeugen berichten, dass eine Person am Fenster gesichtet wurde und davon ausgegangen werden muss, dass sich eine zweite Person im Gebäude befindet. Zur Lokalisation der zweiten Person im Gebäude kann keine Aussage getroffen werden. In unmittelbarer Umgebung zum brennenden Wohnhaus befinden sich zwei landwirtschaftliche Anwesen, wobei das Feuer droht, auf das Anwesen auf der Südseite überzugreifen. Bereits mit Absetzen der ersten Lagemeldung wurde die Feuerwehr Burg mit knapp 2000m B-Schlauch und 3 Pumpen zur Wasserversorgung nachgefordert.  

 
Einsatzablauf

Sechs Minuten nach Status 4 der Außengruppe Neuenried und des zuständigen KBM´s trafen das LF 16/12 und die Drehleiter aus Obergünzburg am Einsatzort ein. Begleitet wurden die ersteintreffenden taktischen Fahrzeuge durch das MZF aus Obergünzburg mit einem Zugführer und einem Führungstrupp besetzt. Der Auftrag für die ersteintreffenden Fahrzeuge lautete: „Menschenrettung und Brandbekämpfung im Innenangriff“ – der Zugführer übernahm umgehend den ersten Abschnitt „Menschenrettung und Innenangriff“ als Abschnittsleiter. Parallel zur eingeleiteten Menschenrettung baute die Außengruppe der Feuerwehr Neuenried ohne Zeitverzögerung die Wasserversorgung über 

500m vom Löschwasserbehälter zur Einsatzstelle auf und nahm die ersten beiden C-Rohre zur Abschirmung des Nachbargebäudes auf der Südseite vor. Die örtlich-zuständige Feuerwehr Ronsberg traf kurz nach der Feuerwehr Obergünzburg ein und stellte die Löschwasserversorgung für den Innenangriff sicher und intensivierte die Abschirmung der Nebengebäude.  

Auf der Rückseite wurde in der Erstphase des Einsatzes bereits ein weiterer Einsatzabschnitt gebildet. Der Abschnitt „Brandbekämpfung West“ startete mit dem TSF-W der Feuerwehr Willofs, dem HLF30 der Werkfeuerwehr Huhtamaki sowie dem TLF 16/25 und dem WLF mit AB-Wasser der Feuerwehr Obergünzburg. Das Einsatzziel im zweiten Abschnitt war vorrangig die Abschirmung der Nachbargebäude, um ein Übergreifen der Flammen zu verhindern. Auf Grund der eingeschränkten Löschwasserverfügbarkeit in Neuenried gestaltete sich das äußerst schwierig. Für einen Pendelverkehr standen in dieser Phase des Einsatzes lediglich ein TLF mit 2500l Löschwassertank und der AB-Wasser mit 8000l Löschwassertank zur Verfügung. Beide Fahrzeuge versorgten den Abschnitt im Pendelverkehr. 

Auf Grund der hohen Brandintensität musste der Innenangriff nach 14 Minuten wieder abgebrochen werden. Alle drei Atemschutztrupps mussten aus dem Gebäude abgezogen werden. Im Anschluss erfolgten mehrere Versuche, via Drehleiter über Fenster ins Gebäude einzusteigen, um nach den vermissten Personen zu suchen. Auf Grund der Hitze mussten alle Versuche ebenfalls frustran abgebrochen werden. 

Die mittlerweile an der Einsatzstelle eingetroffene Feuerwehren Burg baute mit der FF Neuenried und Ronsberg zwei weitere B-Leitungen in das ca. 1000m entfernte Buchstock auf und konnten beide Abschnitte mit ausreichend Wasser versorgen. Die Löschwasserversorgung war ab sofort ein eigener Einsatzabschnitt. 

In der Erstphase des Einsatzes versuchten Mitglieder des MZF-Führungstrupps sowie die Polizei über den Verbleib der Bewohner zu recherchieren. Angehörige wurden versucht zu erreichen, umliegende Krankenhäuser wurden abtelefoniert und ein Aufenthaltsprofil wurde erstellt. Bei Betrachtung der Rechercheergebnisse musste zwingend davon ausgegangen werden, dass sich beide Personen im Gebäude befinden. 

Mit Lagemeldung um 09:50 Uhr wurde eine weitere Drehleiter, 8 Pressluftatmer sowie das PSNV-Team Kaufbeuren-Ostallgäu nachgefordert. Durch die ILS-Allgäu wurde die Feuerwehr Ottobeuren mit der Drehleiter sowie die Feuerwehr Markt Rettenbach mit zwei Gruppenlöschfahrzeugen nachalarmiert.  

In einer weiteren Lagebesprechung um 10:20 Uhr musste auf Grund der Gesamtlage die Einsatztaktik von Innenangriff und Menschenrettung auf Außenangriff und Schutz der Nachbargebäude umgestellt werden. 1h nach Einsatzbeginn konnte auf Grund der hohen Brandintensität und der starken Rauchausbreitung niemand mehr mit einer Menschenrettung rechnen. Um 10:26 Uhr kam es dann schließlich zum ersten Teileinsturz des Gebäudes.  

Ab jetzt lief die Außenbrandbekämpfung über zwei Drehleitern und mehrere Gruppen unter Einsatz von Netzmittel. Die Brandintensität ließ nach. Ein Übergreifen des Feuers auf die Nachbargebäude konnte vollständig verhindert werden. Um 13:40 Uhr konnte „Feuer unter Kontrolle“ an die ILS gemeldet werden. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Löschmaßnahmen immer wieder kurz unterbrochen, um nach den vermissten Personen zu suchen. Die Personensuchen bleiben alle ohne Erfolg. 

Nachdem noch Winterzeit herrschte, und in absehbarer Zeit mit Einbruch der Dunkelheit gerechnet werden musste, wurden bereits am frühen Nachmittag Einheiten zur Ausleuchtung der Einsatzstelle angefordert. Neben zahlreichen Lichtmasten aus den Feuerwehren wurden zwei Lichtmastanhänger der Feuerwehr Marktoberdorf sowie das THW-Kaufbeuren an die Einsatzstelle beordert. Das THW-Kaufbeuren führte außerdem mehrere Power-Moon mit, sodass eine taghelle Ausleuchtung der Einsatzstelle möglich war. In den Nachtstunden konnte uneingeschränkt bei guter Sicht weitergearbeitet werden. 

Mit einem nachgeforderten Bagger wurde das Gebäude ab 14:00 Uhr vorsichtig abgetragen, um die Personen finden zu können. Beobachtungsposten auf beiden Drehleitern hatten die Aufgabe, Ausschau nach den vermissten Personen zu halten. Um 18:03 Uhr konnte die erste Bewohnerin aufgefunden werden, um 22:05 Uhr folge die Lagemeldung: „zweite Person gefunden“. Beide Körper konnten nur noch leblos geborgen werden. 

Im Anschluss an die Leichenbergung wurde der Keller des Gebäudes auf Grund der immer noch vorherrschenden hohen Temperaturen mit Schaum geflutet. Die Brandruine wurde zum Abschluss des ersten Tages mit Schaum bedeckt und Nachlöscharbeiten auf den zweiten Tag verschoben.  

Am zweiten Tag wurden bis in den frühen Nachmittag Nachlöscharbeiten durchgeführt, der Kriminaldauerdienst bei der Ermittlung der Brandursache unterstützt, das Gebäude gesichert und im Anschluss erneut mit Schaum abgedeckt. 

 

Einsatzbegleitung durch das PSNV-E-Team Kaufbeuren-Ostallgäu 

PSNV-E steht für Psychosoziale Notfallvorsorge für Einsatzkräfte. Der Oberbegriff beschreibt die Begleitung, Betreuung und Nachsorge für Einsatzkräfte bei belastenden Einsätzen. Einen hohen Stellenwert nimmt der Bereich Prävention bereits ab der Grundausbildung jedes Feuerwehrdienstleistenden ein.  

Schon in der ersten Phase des Einsatzes wurde deutlich, dass es sich beim Einsatz in Neuenried um keinen „gewöhnlichen“ Dachstuhlbrand handelt. Ein Brandeinsatz mit vermissten Personen ist glücklicherweise nicht Alltag im Feuerwehrdienst. Auf Grund dieser Umstände entschied die Einsatzleitung frühzeitig, das PSNV-Team direkt an die Einsatzstelle zu alarmieren.  

Das PSNV-E Team war mit drei Personen an der Einsatzstelle in Neuenried. Als Fachberater stand Teamleiter Bene Gruber der Einsatzleitung bis zum Abschluss der Bergung zur Verfügung. Das Team agierte an der Einsatzstelle aber nicht nur als Fachberater. Als „stiller Beobachter“ – konnte das Team nützliche Informationen an die Einsatzleitung liefern und bereits im Einsatzverlauf wichtige Gespräche mit Einsatzkräften führen. Gemeinsam mit Gruppenführern in den Abschnitten konnten Einsatzkräfte für die anstehende Leichenbergung ausgewählt und auf ihren Einsatz vorbereitet werden. Die Einsatzstelle wurde zur Leichenbergung außerdem so strukturiert, dass möglichst wenige Feuerwehrangehörige direkt damit konfrontiert wurden. Eine würdige Leichenbergung, eine würdige Leichenablage in einer örtlichen Kapelle und vieles mehr wurden im Hintergrund durch das PSNV-E-Team organisiert. Parallel wurden auch Gespräche mit den Nachbarn geführt und neben dem PSNV-E Einsatz auch ein PSNV-B Einsatz durch das Kriseninterventionsteam des Bayrischen Roten Kreuzes zur Betreuung von Bekannten und Nachbarn der Vermissten vorbereitet. Nach Abschluss der Bergungsarbeiten wurden die an der Bergung betreuten Einsatzkräfte direkt einer Einsatznachbesprechung zugeführt und aus dem Einsatz ausgelöst. 

An der Einsatznachbesprechung am 08.03.2022, welche für alle beteiligten Einsatzkräfte der Feuerwehren abgehalten wurde, war das PSNV-Team ebenfalls wieder beteiligt.  


Einsatzart Brand
Einsatzstart 5. März 2022 09:20
Alarmierte Einheiten

FF Ronsberg: LF 8/6; MTW; TSA der AG Neuenried
WF Huhtamaki: HLF 30; MTW
FF Willofs: TSF-W
FF Obergünzburg: KdoW; MZF; LF 16/12; DL(A)K 23/12; TLF 16/25; WLF mit AB-Wasser; GW-L1; V-LKW; MTW
FF Burg: MTW mit TSA; TLF 8/18 mit Schlauchwagen
FF Oberegg: TLF 16
FF Ottobeuren: LF 20; DLK 23/12; SW-2000
FF Ebersbach: LF 10; MTW
FF Markt Rettenbach: TLF 16/25
FF Unterthingau: LF 16/12; MTW
FF Marktoberdorf: V-LKW mit LiMa-Anhänger
PSNV-Team mit MTW der Feuerwehr Buchloe
 
THW OV Kaufbeuren: GKW + LiMa-Anhänger
 
3 Rettungswagen
1 Notarzteinsatzfahrzeug
1 Rettungshubschrauber Christoph 17
1 SEG-Transport
1 SEG-Verpflegung
 
Polizei mit mehreren Streifen, KDD und Edelweißhubschrauber